Tagebuch

27.Juni 2008


Grabstätte der Tucholskys restauriert

[…] Berlin -  Die letzte Ruhestätte vieler jüdischer Existenzen in Berlin kannte der Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky (1890–1935) nur zu gut: „Sie kamen hierher aus den Betten, aus Kellern, Wagen und Toiletten, und manche aus der Charité, nach Weißensee, nach Weißensee“, dichtete er 1925.

Gemeint ist der jüdische Friedhof in dem Berliner Stadtteil, mit 115.000 Gräbern der größte erhaltene jüdische Friedhof in ganz Europa. Dort liegt seit 1905 auch Tucholskys Vater Alex begraben. Sein verfallenes Grabmal wurde unlängst saniert und wird am Freitag im Beisein von Kulturstaatssekretär André Schmitz, dem Rabbiner Andreas Nachama und der Schauspielerin Gisela May wieder feierlich übergeben. […]


24.Juni 2008


Das Touro College wird heute fünf Jahre alt / Einzige Einrichtung dieser Art in Europa
Das Holocaust Institut in Berlin sucht neue Formen der Erinnerung
Aliki Nassoufis

[…] Geschichte ohne Zeitzeugen
Heute feiert das Touro College, an dem der Studiengang gelehrt wird, bereits sein fünfjähriges Bestehen. „Wir brauchen ein Institut, dass sich Gedanken darüber macht, wie man auch ohne Zeitzeugen mit der Geschichte umgeht“, erklärt der Gründungsdekan des Instituts und Leiter der NS-Dokumentationsstelle „Topographie des Terrors“, Andreas
Nachama , die Idee. Dabei sei es wichtig, moderne Kommunikationsmöglichkeiten zu entwickeln. „Wir müssen uns auch auf neue Zielgruppen einstellen, denn Kinder aus Migrantenfamilien benötigen einen anderen Zugang zu dem Thema.“ Dazu könnte zum Beispiel ein Schulbuch gehören, dass in Comicform von der NS-Zeit berichtet. Oder Stadtkarten, in denen frühere Nazitreffpunkte eingezeichnet sind, damit junge Menschen verstehen: Auschwitz ist zwar weit weg, aber das Unrecht geschah auch vor unserer Tür.
Deswegen überlegt
Nachama während des zweijährigen Teilzeit-Aufbaustudiums gemeinsam mit seinen Studenten, wie man beispielsweise Interviews mit Zeitzeugen verwerten kann. „Diese Interviews wird es ja auch weiterhin noch geben, deswegen kann man sie auch nutzen.“ Sein Vorschlag: Eine Bilderschau mit Fotos aus dem Gespräch, die mit Zitaten zu den Erlebnissen untertitelt werden. So ist da ein älterer Mann zu sehen, darunter steht: „Horst, betrachte die Zeit in Gefangenschaft nicht als nutzlos verbrachte Zeit, betrachte sie als Universität des Lebens.“
Das ist Anlass für eine lebhafte Diskussion. Darf man so mit Interviews umgehen? Eine der Schülerinnen
Nachamas stellt das infrage. Auf diese Weise werde nicht die ganze Geschichte des Überlebenden klar, kritisiert sie. Ein Mitschüler kontert: „Ich finde das gut, das macht Lust auf mehr“, sagt er. „Das ist mal etwas anderes.“

Praktisches Wissen vermitteln
Genau das gefällt
Nachama . „Das ist ja nur ein Ansatz, man kann ihn auch wieder verwerfen – den Stein des Weisen werden wir sowieso nicht finden.“ Das ist aber auch gar nicht das Ziel: „Die Studenten sollen Handwerkstechniken erlernen, die sie im Berufsleben verwenden können und die sie befähigen, Ausstellungen zu konzeptionieren und in Gedenkstätten zu arbeiten.“


22.Juni 2008

Berlins jüdische Gemeinde ist geschockt
Hat sich ein Mafia-Boss eingenistet? Michail R. galt als seriöser Geschäftsmann. Für spanische Behörden ist er Chef einer Russen-Bande

Berlin - Wer ist Michail R. (55) wirklich? Hier gilt er als spendables Mitglied der jüdischen Gemeinde Berlin. Für die spanischen Behörden dagegen ist er ein russischer Mafia-Boss, gesucht mit europäischem Haftbefehl: Die Berliner Polizei nahm ihn in seiner Wohnung in Westend fest. Ein Gericht soll nun über seine Auslieferung entscheiden.

[...] Die jüdische Gemeinde in Berlin zeigt sich betroffen: "R. hat oft gespendet, verhielt sich eher unauffällig", sagt Rabbiner Andreas Nachama dem KURIER. Der Rabbiner warnt jedoch vor einer Vorverurteilung: "Den Fall muss erst die Justiz prüfen." Das soll nun durch das Kammergericht geschehen.


18. Juni 2008

Spuren jüdischen Lebens
Kirchenmitglieder aus dem Oberen Edertal unternahmen Studienfahrt nach Berlin
Karl-Hermann Völker

Bromskirchen/Berlin. Es gibt nach NS-Verfolgung und Holocaust wieder ein jüdisches Leben in Berlin: Etwa 11 000 Mitglieder zählt derzeit die jüdische Gemeinde, die in acht Synagogen ihre Gottesdienste hält. Dies teilte Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama, geschäftsführender Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, Mitgliedern der evangelischen Kirchengemeinden des Oberen Edertals mit, die er zu einem Gespräch eingeladen hatte.Eine Woche lang gingen Vertreter des Dekanats Biedenkopf mit Pfarrer Ernst-Dieter Mankel (Bromskirchen), der die Studienfahrt im Auftrag der kirchlichen Erwachsenenbildung vorbereitet hatte, den "Spuren jüdischen Lebens in Berlin", so das Motto, nach. Dabei war der Gedankenaustausch mit Professor Nachama einer der Höhepunkte. Er schilderte das rapide Wachstum der jüdischen Gemeinde Berlin nach der Wiedervereinigung, aber auch das Problem einer Überalterung, weil junge Menschen wieder aus der Hauptstadt wegziehen. [..]


19. Juni 2008

Rechte Gewalt
Antisemitische Gewalt steigt
Europaweit mehren sich Vorurteile. Straftaten nehmen zu
Marlies Emmerich

BERLIN. Entgegen dem Trend vergangener Jahre gibt es seit 2000 europaweit eine Zunahme antisemitischer oder antijüdischer Vorurteile. Die Bereitschaft, solche Vorurteile öffentlich zu äußern, ist in kurzer Zeit gestiegen. So würden gerade junge Europäer, das Wort "Jude" ungeniert als Schimpfwort gebrauchen. [...]

Für den Historiker Julius Schoeps handelt es sich beim Antijudaismus um eine "kollektive Bewusstseinskrankheit". Deshalb seien der Aufklärung deutliche Grenzen gesetzt. Antisemitismus und die Judenfeindschaft gehörten zum "integralen Bestandteil der europäisch-christlichen Kultur".

[...] Andreas Nachama von der Berliner Topographie des Terrors sagte, selbst wenn es eine Lösung des Nahostkonfliktes geben würde, ließe sich das Problem nicht lösen: "Antisemitismus ist auch ohne Juden möglich."


5. Juni 2008

Schutzformel
Was uns der Priestersegen heute bedeutet
Rabbiner Andreas Nachama

Der Aaronitische Segen ist der älteste überlieferte Segensspruch der Bibel, der bis heute im jüdischen wie auch im christlichen Gottesdienst seinen Platz hat. Er wird Mosche im 4. Buch Bemidbar in der Wüste offenbart und Aaron und seinen Söhnen als Segen für das ganze Volk Israel aufgetragen. Nach der Zerstörung des Tempels wurde er von den Kohanim, den Priestern, im Morgengottesdienst der drei Wallfahrtsfeste vor dem Aron Hakodesch unter Tallit verhülltem Angesicht im Wechselgesang mit dem Vorbeter vorgetragen. mehr

18. Mai 2008

  Leipziger Volkszeitung

Nach Anklage im Hakenkreuz-Fall Vorwürfe gegen SPD-Politikerin
Berlin/Mittweida.

Die Anklageerhebung im angeblichen Hakenkreuz-Fall von Mittweida beschäftigt nun auch das Bundesinnenministerium. Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" will das Ministerium in der kommenden Woche über organisatorische Konsequenzen für das Bündnis für Demokratie und Toleranz beraten. Hintergrund ist, dass dessen Ehrenpreis im Februar an die junge Frau aus Mittweida verliehen wurde, obwohl schon damals gegen sie ermittelt wurde.

Die Vorwürfe zielen laut Zeitung insbesondere gegen die SPD-Politikerin Cornelie Sonntag-Wolgast, die dem Beirat des Bündnisses angehört. Sie hatte die Auszeichnung gegen den Protest mehrerer anderer Beiratsmitglieder durchgesetzt. Der Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, Andreas Nachama, erwägt dem Bericht zufolge aus dem Beirat auszuscheiden. Er habe seinerzeit vorgeschlagen, die Auszeichnung aus Respekt vor den Ermittlungsbehörden auszusetzen. […]


18.05.2008

 
Bundes-Innenministerium plant Konsequenzen aus Preisverleihung in Mittweida
Gegen das vermeintliche Opfer Rebecca K. ist mittlerweile Anklage erhoben worden
ddp-lsc

Das Bundes-Innenministerium will sich mit einem offenbar nur vorgetäuschten Neonazi-Überfall in Mittweida befassen. In der kommenden Woche werde über organisatorische Konsequenzen aus der Verleihung eines Ehrenpreises des bundesweiten "Bündnis für Demokratie und Toleranz" an eine heute 18-Jährige beraten, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". […]

Der Direktor der "Stiftung Topographie des Terrors", Andreas Nachama, sagte dem Blatt, er erwäge, aus dem Beirat auszuscheiden. Nachama hatte auch dafür plädiert, die Auszeichnung aus Respekt vor den Ermittlungsbehörden auszusetzen.


18. Mai 2008

Hakenkreuz-Fall von Mittweida
Und am Ende frohlockt die NPD

Markus Wehner

[…] Professor Andreas Nachama, Direktor der „Stiftung Topographie des Terrors“ in Berlin, forderte, man solle aus Respekt vor den Ermittlungsbehörden die Preisverleihung aussetzen, bis der Fall geklärt sei. Noch entschiedener wandte sich Maria Böhmer (CDU), Staatsministerin für Integration im Bundeskanzleramt, gegen die Preisverleihung. […]

Denn der Schaden ist groß. Vor wenigen Tagen hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Rebecca K. erhoben. Das Renommee des „Bündnisses“ steht auf dem Spiel. Professor Nachama erwägt, es zu verlassen. Ratschläge würden offenbar nicht gebraucht, sagt er. „Das Schlimme ist: Das ganze Anliegen gerät durch diese Sache in Verruf“, sagt Nachama. So sieht es auch Mittweidas Bürgermeister Damm. Die Preisverleihungen insgesamt gerieten nun in ein schiefes Licht. „Und alle unsere Bemühungen gegen Rechtsextremismus werden davon in Mitleidenschaft gezogen“, beklagt er. […]


2. Mai 2008

 

Erster Masterstudiengang zum Holocaust in Berlin
sei kommunikativ, sei verantwortungsvoll, sei berlin.
Andreas Nachama

Häufig stelle ich fest, dass in unserer Gesellschaft ein empfundener Überdruss an Informationen über die Vernichtung europäischer Juden existiert. Das entnehme ich den Medien und erlebe es immer wieder in Diskussionen, vor allem auch mit jungen Menschen. Die Folge ist ein von Unschärfen und Nichtwissen geprägtes Bewusstsein über den Holocaust. Und das in einer Zeit, in der es immer weniger Zeitzeugen, also Überlebende gibt. Das sollte aber nicht dazu führen, dass weniger über den Holocaust gesprochen wird. Im Gegenteil: Neue Wege der Vermittlung sind gefragt. Als Geschäftsführender Direktor der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin stehe ich selbst ständig vor dieser Herausforderung. mehr


24. April 2008

Der große Hunger
Wir gieren nach Treibstoff – Biosprit muss es sein. Doch die Feldfrüchte sollen Menschen satt machen
Rabbiner Andreas Nachama

Wie sollen wir die Früchte des Feldes verwenden? Als Lebensmittel für eine ständig wachsende Weltbevölkerung oder als vermeintlich sauberen Biosprit für unsere Automobile? Nimmt man die Entscheidungen der Politiker ernst, den Kohlendioxid-Ausstoß bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent zu senken, dann führt anscheinend kein Weg an Biodiesel und Ethanol vorbei. Wir sind es gewohnt, alles in Marktbeziehungen zu sehen – die Welt als Börse, von Managern ohne Herz und Moral zu einer Eigentümergesellschaft gemacht. Steigt die Nachfrage, steigt der Preis. Sinkt sie, fällt der Preis.
mehr


14. April 2008

Das doppelte Erbe von Lieberose
Thomas Klatt

Was geschah mit den KZ-Opfern aus Lieberose? Seit den 90er-Jahren wird nach ihren sterblichen Über- resten gesucht. Bislang ohne Erfolg. Privatbesitz verhindert weitere Grabungen. Dabei hat Lieberose gleich ein doppeltes Erbe zu tragen: Nach dem Krieg wurde aus dem KZ ein sowjetisches Lager. Auch hier starben Tausende.
[…] Bis zu einer Entscheidung des Gerichtes will der Zentralrat der Juden in Deutschland keine Stellungnahme zum Fall abgeben. Es soll nicht der Eindruck entstehen, als sei das Gericht in seiner Entscheidung nicht unabhängig, heißt es. Historiker wie Julius Schoeps vom Potsdamer Moses-Mendelsohn-Zentrum und An dreas Nachama von der Stiftung Topographie des Terrors rufen zur Besonnenheit auf. Auf jeden Fall müsse eine Lösung im Konsens insbesondere unter Einbeziehung des Rabbinats gefunden werden. "In Israel werden bei Bauarbeiten und Grabungen fast täglich Knochen gefunden und immer ist ein Rabbinats-Vertreter anwesend, um die Einhaltung der jüdischen Gesetze zu kontrollieren", so Nachama.
Es seien schon zu viele Fehler gemacht worden: dass das ehemalige KZ-Gelände einfach wieder bebaut werden durfte, dass die toten Juden 1971 von der DDR einfach eingeäschert wurden, dass in der DDR die KZ-Gedenkstätte fernab vom eigentlichen Lager drei Kilometer entfernt errichtet wurde. […]

 

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