Tagebuch

 

29. August 2012

Lieber mit dem Auto unterwegs
Julia Haak

Überfallen wurde Berliner Rabbiner Andreas Nachama nie, aber er kennt antisemitische Äußerungen. Um Konflikte zu vermeiden, geht er riskanten Situationen aus dem Weg. Auch legt er keinen Wert darauf im Privatleben mit Kippa oder typisch jüdischer Kleidung herum zu laufen.

Berlin –   Der Rabbiner Andreas Nachama ist nie überfallen worden. Antisemitische Bemerkungen, die kennt er – aber mehr aus Erzählungen anderer, denn aus eigenem Erleben. Er geht Situationen aus dem Wege, die anderen Gelegenheit dazu bieten könnten. Andreas Nachama beschränkt sich lieber selbst. „Ich vermeide es, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, ich fahre lieber mit dem Auto“, sagt er. Auch wenn es länger dauert, als mit der S-Bahn.

Nachama will nicht ständig als Jude identifiziert, immerzu als Rabbiner angesprochen werden. Er vertritt ein liberales Judentum und legt keinen Wert darauf, auch in seinem Privatleben mit Kippa oder typisch jüdischer Kleidung herum zu laufen. Aber er ist bekannt in Berlin – als Direktor der Stiftung Topographie des Terrors und auch als Rabbiner an der Synagoge Hüttenweg in Zehlendorf. Er ist in Berlin geboren, aber in Kreuzberg oder Schöneberg würde er nicht gerne wohnen, weil er dort gewaltbereite Jugendliche vermutet, die den Konflikt zwischen Israel und Palästina auf Berliner Straßen austragen.

Nachama spricht von No-Go-Areas, Orte in Berlin, die er meidet, genauso wie Bahnhöfe ohne Personal. Es sei ein Gefühl der Unsicherheit da. „Ich habe keine Probleme, weil ich mich der Situation nicht aussetze. Es ist ein eingeschränktes Leben, aber wer will schon seine Haut zu Markte tragen“, sagt Nachama. Er bedauert den Zustand, eigentlich findet er ihn nicht hinnehmbar.


Archiv

 nach oben