Tagebuch

31. August 2007


"Jüdisches Leben blüht wieder auf"
Zuwanderer aus Osteuropa lassen die Jüdische Gemeinde in Berlin wachsen
Katrin Schoelkopf
[…] Als Galliner, Jahrgang 1950, vor 37 Jahren aus England nach Berlin kam, "war hier gar nichts los, kam keiner". Das waren die frühen 70er-Jahre, das war 25 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und des Holocausts. "Damals war jüdisches Leben noch nicht selbstverständlich, aber heute hat sich jüdisches Leben in Deutschland als Teil des gesellschaftlichen Lebens etabliert", sagt Andreas Nachama, von 1997 bis 2001 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. […]
 


23. August 2007

Wo die Liebe hinfällt
Homosexualität und Halacha: Nicht nur die Reformbewegung
sollte schwulen und lesbischen Juden einen Weg weisen
Rabbiner Andreas Nachama

Es ist keine 70 Jahre her, da waren Juden, Sinti und Roma sowie Homosexuelle gemeinsam am Anus Mundi in Auschwitz, Treblinka oder wie sonst die Unorte hießen, an denen sich der Zivilisationsbruch vollzog. Dort wurden Menschen deshalb ermordet, weil das Fundamentalgesetz der Bibel missachtet wurde, wonach alle Menschen ein Abbild Gottes sind.

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13. August 2007

SONNTAGS um zehn
Eine gemeinsame Verantwortung
In der Philippus-Kirche in Friedenau beteten Juden und Christen zusammen
Heidemarie Mazuhn

[...] Weil der Berliner Rabbiner Andreas Nachama den Gottesdienst mitgestaltete, bezogen Polizisten vor der Kirche in der Stierstraße Posten. Gefährlich auffällig wurde allerdings niemand – allenfalls ein wenig laut. Der jüngste der ansonsten überwiegend älteren Kirchgänger, ein Blondschopf fast noch im Windelalter, kommentierte fröhlich krähend den Gottesdienst, den Pfarrer Wolfgang Blech leitete. Orgel, Keyboard und Kontrabass begleiteten das Geschehen, und die junge Kantorin Esther Hirsch sang mit glockenheller Stimme jüdische Gebetslieder.

Um das höchste Gebot der Christen und Juden ging es – im Markusevangelium beantwortet Jesus diese Frage. „Höre, Israel“, steht da, „dass das höchste Gebot der Herr allein ist“. Jesus sagt aber auch das andere Gebot, nach dem man seinen Nächsten lieben soll wie sich selbst. „Höre, Israel, der Ewige ist Gott, der Ewige ist einzig“, heißt es im „Schma Israel“ – hebräisch für „Höre!“ – dem Glaubensbekenntnis der Juden zur Einheit und Einzigkeit Gottes und den Geboten dazu. Gemeinsam zu beten, sei für Juden und Christen nicht selbstverständlich, sagte Andreas Nachama. Die Gebote zu befolgen, um Gottes Schöpfung zu erhalten, aber sei eine gemeinsame Verantwortung. „Das sollen wir sehr ernst nehmen.“


12. August 2007

Israeltag in Berlin:
Nachama predigt in evangelischer Kirche
Berlin (dpa/bb)

Andreas Nachama, der frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, predigt am Sonntag in der evangelischen Philippuskirche im Stadtteil Friedenau. Anlass des jüdisch- christlichen Gottesdienstes ist der Israelsonntag, mit dem jedes Jahr an die Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch die Römer im Jahr 70 nach Christus erinnert wird.


9.August 2007

Alles wird neu
Christine Schmitt

Selbst im Sommer kommen die Beter in großer Zahl: Beispielsweise am vergangenen Schabbat seien mehr als 60 zum Gottesdienst in der Synagoge Hüttenweg erschienen. „Und das, obwohl in Berlin Ferien sind“, sagt Rabbiner Andreas Nachama. Und das sei schon eher wenig gewesen, weil sich ansonsten sogar um die 100 Beter regelmäßig einfinden würden. „Unser Platz reicht gar nicht mehr aus, denn wir haben nur für 85 Menschen Sitzgelegenheiten“, meint der Rabbiner.

Eine erfreuliche Entwicklung für die von Andreas Nachama und Albert Meyer sozusagen an historischem Ort wiedergegründete liberale Betergemeinschaft. Bis 1994 war hier das Chaplain Center der US Armee untergebracht, in dem jüdische Gottesdienste für Soldaten der Besatzungsmächte angeboten worden waren.

Mit 15 Betern hätten sie 1999 in den Räumen der amerikanischen All-Saints- Church angefangen, erzählt Nachama. Jährlich seien etwa 15 bis 20 Interessierte dazukommen. Die Gemeinschaft sei in den acht Jahren ihres Bestehens kontinuierlich gewachsen, sodass sie nun nach einem neuen Haus suchten. Einen Sponsor gebe es bereits, allerdings noch keine passende Immobilie. Auf jeden Fall soll das neue Domizil wieder in Steglitz-Zehlendorf sein.

„Wir hoffen, dass wir nun bald etwas finden und in drei bis vier Monaten umziehen können“, meint Nachama. Je nach Räumlichkeit soll ein entsprechendes Konzept ausgearbeitet werden. Entweder gebe es nur wieder eine Synagoge, oder aber, wenn noch mehr Räume neben dem Gotteshaus genutzt werden könnten, hoffen die Mitglieder der „Synagogengemeinde“, dass dort noch andere jüdische Einrichtungen entstehen oder mit einziehen.

Auch innerhalb der Jüdischen Gemeinde zu Berlin geht die Beterschaft des Hüttenweges eigene Wege: Seit Kurzem heißt sie „Synagogengemeinde Berlin Sukkat Schalom“. Den Namen hatte der Vorstand vorgeschlagen, sagt Benno Simoni, der seit sieben Jahren mit dabei ist. Die bisherige offizielle Bezeichnung „Betergemeinschaft“ hätte sich zu christlich angehört, meint er. „Trotz des neuen Namens bleiben wir weiterhin eine Synagoge unter dem Dach der Einheitsgemeinde“, betont Simoni.

Andererseits würde er eine Verselbstständigung der Synagogengemeinden in Berlin begrüßen, sagt Andres Nachama. Die jetzige Situation sei unbefriedigend. Ihm schwebt als Zukunftsmodell eine Gemeinde vor, die nur als Dachorganisation der einzelnen Synagogengemeinden fungiert, die dann selbst eine größere Eigenständigkeit erhalten sollten. In anderen Bundesländern gebe es Landesverbände, bei denen die einzelnen Gemeinschaften Mitglied sind. So könne man auch in Berlin die Einheitsgemeinde bestehen lassen, zugleich könnten die einzelnen Synagogen ein Stück selbstständiger und zudem gleichberechtigt nebeneinander auftreten. „Damit hätte jeder einen Ort, an dem er sich entfalten und bestimmen könnte“, meint Nachama. Die einzelnen Einrichtungen dürften sich nicht gegenseitig bevormunden. „Es gibt nichts Misslicheres, als wenn eine größtenteils orthodoxe Gemeinde über einen Reformrabbiner zu entscheiden hat“, sagt Nachama. Derzeit entscheide die Repräsentantenversammlung (RV) darüber, wer als Rabbiner eingestellt wird. Die Beter der jeweils betroffenen Synagogen hätten lediglich ein Mitspracherecht. Auch Julius H. Schoeps, Leiter des Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrums, ist Beter der Synagoge. Er sagt, dass „aus dem Hüttenweg heraus etwas Neues entstehen“ könne, wenn nach den Gemeindewahlen im November die Liberalen und die Vertreter des Reformjudentums nicht mehr in der RV vertreten sein sollten.

Eine bestehende Synagoge könne man nicht vom Reformkurs abbringen, sie habe einen eigenen Charakter, unterstreicht Andreas Nachama. Erst im Winter hatte sich die Beterschaft der World Union for Progressive Judaism, der Weltunion progressiver Juden angeschlossen. Vieles ändert sich, eines bleibt auf jeden Fall, versichert der Rabbiner – das Bemühen, für noch mehr Beter attraktiv zu sein. „Eine Synagoge definiert sich immer neu, zufrieden kann man nie sein.“


 6. August 2007

Eine zeitgemäße Form des Erinnerns
In Berlin wird der einzige Masterstudiengang Europas über den Holocaust angeboten
[…] Katja Bauer, Berlin

Das Touro-College im Berliner Westen ist Deutschlands einzige jüdische Hochschule. Hier werden seit 2003 Wirtschaftswissenschaftler ausgebildet. Mit dem neuen Institut für Vermittlung und Kommunikation über den Holocaust betritt die Privatuniversität Neuland. "Es gibt keinen vergleichbaren Studiengang in ganz Europa", sagt der Gründungsdekan Andreas Nachama.

Die Einrichtung hatte bereits vor zwei Jahren Ihren Betrieb aufgenommen, allerdings bis dato nur als Forschungsinstitut mit dem Ziel, Forschungsergebnisse über den Holocaust zusammenzuführen und zu vergleichen. Mit dem kommenden Wintersemester startet jedoch der staatlich anerkannte Masterstudiengang über die Vermittlung und Kommunikation des Holocaust. "Wir brauchen eine alternative, zeitgemäße Form des Erinnerns, mit der wir der oft als verordnet empfundenen Trauer- und Erinnerungsarbeit entgegentreten", sagt Nachama. Der Historiker und Rabbiner, der zugleich Chef des NS-Dokumentationszentrums Topografie des Terrors ist, kennt sich seit vielen Jahren aus in der Berliner Gedenkstätten- und Erinnerungslandschaft.

Die Idee für den Studiengang stammt vom Gründer der auch in New York ansässigen Touro-Universität, Bernard Lander. Als vor zwei Jahren das Holocaust- Mahnmal eröffnet wurde, waren die Betonstelen Gegenstand heftiger Kritik. In diesem Zusammenhang sprach der Denkmalarchitekt, Peter Eisenman, von deren beabsichtigter Bedeutungslosigkeit. Dieser Satz habe Lander aufgebracht, berichtet Nachama. Für ihn sei die wichtige Frage diejenige nach der Botschaft des Holocaust gewesen. "Die Antwort ist, dass eine Gesellschaft in der Lage sein muss, Anderen und Hinzugekommenen Toleranz zu zeigen. Sonst muss sie untergehen", sagt Nachama. Diese Erkenntnis wolle Lander in der Universität vermittelt sehen.

Zielgruppe des Studiums seien Historiker, Mitarbeiter von Museen und Gedenkstätten, Lehrer, aber auch Journalisten. "Zu einem Zeitpunkt, da die Zeitzeugen aussterben, müssen wir neue, moderne Formen der Wissens- und Wertevermittlung finden", sagt Nachama. Denn wenn kein Überlebender mehr direkt zu Schülern sprechen kann, dann wird das auch die Erinnerung an den Holocaust verändern. Aus einer durch Erzählen vermittelten, erlebten Geschichte wird eine werden, die sich über Medien und Erinnerungsorte vermittelt und vergleichsweise starr wirkt. Gelernt werden soll, wie eine Ausstellung konzipiert und realisiert wird. […]

 

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