Tagebuch

 

30. Juli 2007

Jüdische Gemeinde
Exodus zum Hüttenweg
Claudia Keller

Die Liberalen unter Berlins Juden gehen zunehmend ihren eigenen Weg innerhalb der Jüdischen Gemeinde. Ob nun als bewusste Abkehr von der Einheitsgemeinde oder weil es ihnen dort einfach am besten gefällt: Immer mehr versammeln sich in der Synagogengemeinde Hüttenweg. Da der Platz nicht mehr ausreicht, sucht man nun sogar nach einem neuen Standort. Auch hat sich die Gemeinde um den Rabbiner Andreas Nachama vor kurzem einen neuen Namen gegeben: Statt Synagogenverein Hüttenweg heißt sie nun demonstrativ „Synagogengemeinde Berlin“. [...]

Die Räume am Hüttenweg, in denen man sich bisher trifft, seien zu klein geworden, man wolle das Angebot ausbauen. Außerdem gehören die Räume zu einer evangelischen Kirche. Deshalb könne man sie nur an bestimmten Tagen nutzen. Die Gemeinde sucht nun einen Standort in Steglitz oder Zehlendorf. Man habe sich schon einige Objekte angesehen, bestätigt auch Rabbiner Andreas Nachama. Nun komme es darauf an, wie viel der private Sponsor ausgeben wolle. Der Umzug soll noch dieses Jahr erfolgen.

Als demonstrative Abkehr von der Einheitsgemeinde wollen Moses und Nachama den großen Zulauf in den Hüttenweg aber nicht interpretieren. „Wir sind die einzige Reformgemeinde in Berlin“, sagt Nachama. Wer religiös liberal eingestellt ist, der komme hierher. Außerdem sei die Gemeinde im Hüttenweg schon jetzt selbstständig, weil sie kein Geld von der Jüdischen Gemeinde erhalte. „Wir fühlen uns aber der Jüdischen Gemeinde nach wie vor zugehörig“, sagt Moses, „aber sie ist nur noch eine Art Dachverband für uns, kein Kultusverband.“ Auch Nachama schwebt als Zukunftsmodell eine Jüdische Gemeinde zu Berlin vor, die nurmehr als Dachorganisation fungiert über den einzelnen Gemeinden, die eine größere Eigenständigkeit erhalten sollten. Dieses Modell wird in vielen anderen Ländern praktiziert. [...]


Hamburger Abendblatt 30. Juli 2007

"Topographie des Terrors"
Neubau bis 2010 Berlin
wend, dpa

Mehr als 20 Jahre nach Gründung der Ausstellung "Topographie des Terrors" und nach jahrelangem Streit soll am 2. November der Bau des neuen NS-Dokumentationszentrums in Berlin beginnen. Diesen Termin nannte kürzlich der geschäftsführende Direktor der gleichnamigen Stiftung, der Rabbiner Andreas Nachama . "Es ist ein insgesamt sehr stimmiges Konzept", sagte Nachama .

Die Kosten des Pavillons auf dem Gelände der ehemaligen Gestapo-Zentrale Prinz-Albrecht-Palais in Kreuzberg bezifferte er auf 18 Millionen für den Bau selbst sowie auf etwa 23 Millionen Euro für das Projekt insgesamt. Bis zum Mai 2010 soll das Dokumentationszentrum fertig sein. Vorbereitungen für den Bau laufen bereits. Nachama hofft, dass Teile der Ausstellung bereits 2009 öffnen können. Zudem bietet die Stiftung künftig einen Teilzugang zu Steven Spielbergs Schoah-Zeitzeugenarchiv. [...]


19. Juli 2007

Parallel gedacht
Zentralrat enttäuscht über die Vorschläge des Bundes zum Gedenkstättenkonzept
Ingo Way

[…] Andreas Nachama, geschäftsführender Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, hält Neumanns Vorschlag, eine „Ständige Konferenz“ der Leiter der Berliner NS-Gedenkorte einzurichten, für eine „gute Idee“. Damit bleibe die Eigenständigkeit dieser Orte gewahrt. „Weniger einleuchtend“ findet er das vorgesehene Beratungsgremium, das Empfehlungen über die Förderwürdigkeit von Projekten aussprechen soll. In diesem Gremium sollen das Deutsche Historische Museum, das Haus der Geschichte, die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, das Institut für Zeitgeschichte sowie ein Universitätshistoriker vertreten sein.

Für Nachama besteht das Problem darin, dass dieser die NS-Zeit „und/oder“ die SED Diktatur als Forschungsschwerpunkt haben soll. Die Formulierung „und/oder“ lasse die Möglichkeit offen, dass ein Historiker berufen wird, der sich allein mit der DDR beschäftige – dann habe die Aufarbeitung der SED-Herrschaft tatsächlich ein Übergewicht. Hier bestehe Klärungsbedarf. Dass beide Weisen der Erinnerung bei einem Gremium untergebracht sind, hält Nachama für unproblematisch. Den NS-Gedenkstätten werde weder Geld entzogen noch konzeptionell hineingeredet. […]


12.Juli 2007

Europas erste jüdische Schule für Kantoren
Abraham-Geiger-Kolleg startet Projekt im Jahr 2008
mm

[…] Die liberal-jüdische Einrichtung kann dabei auf die Hilfe der amerikanischen Breslauer Foundation setzen, die 300 000 Dollar stiftet. Das Kolleg hat darüber hinaus die Bundesregierung gebeten, für den jährlichen Betrieb ab 2008 einen Zuschuss zu gewähren. Die Allgemeine Rabbinerkonferenz Deutschlands hat für das Konzept ihre Mithilfe und Mitverantwortung zugesagt. "Damit ist eine entscheidende Weiche auf dem Weg in die Zukunft jüdischer Gemeinden in Deutschland und Europa gestellt", sagte Andreas Nachama von der Berliner Synagogengemeinde Sukkat Schalom. Die Union der progressiven Juden in Deutschland, zu der das Kolleg gehört, feiert ab heute in Berlin ihr zehnjähriges Bestehen.


12. Juli 2007

Videos gegen das Vergessen
20 Jahre Topographie: jetzt mit Zugang zum „Visual History Archive“
Sophie Neuberg

Dieses Projekt nennt der Filmregisseur Steven Spielberg sein wichtigstes: 52.000 Interviews mit Überlebenden des Holocaust hat die von ihm gegründete Shoah Foundation durchgeführt.[…]
Zum zwanzigsten Jubiläum der Ausstellung Topographie des Terrors war Stiftungsdirektor Andreas Nachama stolz, die Zusammenarbeit mit der FU vorzustellen. Sie ermöglicht auch Universitätsfremden in der Bibliothek der Stiftung einen ersten Zugriff auf das Archiv.

Zugleich konnte Nachama am Mittwoch vergangener Woche den Anfang der Bauarbeiten für das neue Ausstellungsgebäude ankündigen. 2010 soll nach vielen Verzögerungen und Rückschlägen die Freiluftausstellung über die zentralen Einrichtungen des nationalsozialistischen Verfolgungsapparates endlich in ein festes

Gebäude einziehen. In diesen Tagen besteht die letzte Chance, die seit 2005 ebenfalls unter freiem Himmel gezeigte Ausstellung über das „Hausgefängnis“ der Gestapo zu sehen, da sie jeden Moment den Bauarbeiten wird weichen müssen. Durch die Unterstützung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit ist übrigens die Finanzierung der Topographie des Terrors mit einem Etat von 1,6 Millionen Euro pro Jahr dauerhaft gesichert.


4. Juli 2007

»Lernort im Zentrum des Bösen«
Gespräch mit Prof. Andreas Nachama, Leiter der Topographie-Stiftung
Fragen: Rainer Funke

• Welches Anliegen verfolgt die Topographie des Terrors?
Die Topographie des Terrors ist ein Lernort, keine Gedenkstätte oder gar ein Museum. Sie will im Zentrum des Bösen — so könnte man doch das Gestapo-Hauptquartier ab Mai 1933 nennen und nach Kriegseintritt ab Ende September 1939 auch das Reichsicherheitshauptamt — darüber informieren, welche NS-Eliten den NS-Terror systematisch geplant und ausgeführt haben, zunächst reichsweit, dann, soweit der NS-Einfluss in Europa reichte. Es geht also primär nicht um Opfer, sondern um Täter. Freilich kann man ihre Untaten nicht erklären, wenn man nicht zugleich auch die Opfer mit Namen und Orten verbindet. Aber im Gegensatz zu Gedenkstätten ist dies hier eher sekundär.
• Der Lernort befindet sich an überaus markantem Platze?
Die Führungscrews des NS-Terrors waren keine ungebildeten Schläger, sondern promovierte Juristen, die ihren Schreibtisch zuweilen verließen, um vor Ort in Einsatzgruppen sich hervortun zu können. Das oft verbreitete Bild vom dumpf-blöden SS-Mann hält der Wirklichkeit nicht stand. Die haben abends Bach oder Beethoven gehört und am nächsten Vormittag fabrikmäßig gemordet oder morden lassen. Dies fand nicht irgendwo weit draußen in der Pampa statt, sondern hier mitten in Berlin — in , der Wilhelmstraße, der »Downing Street« von Berlin. Dieser Ort »Topographie« ist nicht zu fällig inmitten Berlins, sondern weil die Nationalsozialisten ihrer Terror-Agentur die Weihen der Regierungsmeile geben wollten.
• Was meint Topographie in unserem Zusammenhang?
Die Topographie will kein Museum sein. Man kann sich keinen »Schutzhaftbefehl« im Original ansehen. Schutzhaft ist der widerliche NS-Euphemismus für KZ-Vernichtungs-Einweisung. Ob ich den im Original oder als Fotokopie se he, macht keinen Unterschied — im Gegenteil: Es geht nicht um die »Graphie« oder die »Aura« dieses unerträglichen Dokuments, sondern um das traurige Schicksal des Menschen, der darin genannt wird. Hier ist nichts zu musealisieren, hier geht es um das schnörkellose Dokumentieren.
• Sind Sie mit den Besucherzahlen zufrieden?
In den ersten Jahren nach 1987 war die Topographie mit 100 000 Besuchern im Jahr sehr zufrieden, denn damit war die Kapazitäts- grenze des als Ausstellungshalle benutzten Küchenkellers erreicht — oft überschritten. Jetzt haben wir 500 000 Besucher im Jahr — auch oft jenseits der Kapazitätsgrenze. Aber es geht in Wirklichkeit nicht um Zahlen, sondern um das Verstehen. Wenn unsere Besucher verstehen, was damals geschehen ist, dass man nicht einen minutiös geplanten und über Jahre realisierten Terrortrakt bauen muss, uni Menschen ihrer Lebensrechte zu berauben, sondern dass eine Kunstgewerbeschule innerhalb weniger Wochen zu einem Terror Zentrum umgewidmet werden konnte, dann wissen sie, dass Freiheit jeden Tag neu »er«funden oder »ge«funden werden muss. Will heißen: Sie, ich — wir alle — sind jeden Tag gefragt — Demokratie fällt nie vom Himmel.
• Wie geht es jetzt weiter?
Ich hoffe, dass alle mit dem Neubau nicht zufrieden sein werden, dass sich keiner zurücklehnt und sagt: Jetzt ist es erreicht. Nein — wenn wir eröffnen, geht es erst los. Menschenrechte und Demokratie, alles, was Faschismus und Nationalsozialismus beseitigen wollte, stehen noch immer zur Diskussion: Die Gleichheit aller Menschen vor dem Recht — und wenn nicht hier, dann andernorts. In diesem Sinn betrachte ich es als ein Zukunftszeichen, dass annähernd die Mehrzahl unserer Besucher Touristen sind. Auschwitz war ein bisher einmaliger Zivilisationsbruch, aber Faschismus ist eine Herausforderung, der es seit 1945 mehrmals zu begegnen galt und der es auch in Zukunft zu begegnen gilt.


KESCHER Juli 2007

Hinein in die Heiligkeit der Gebete
DAS NEUE JÜDISCHE GEBETBUCH ERSCHEINT IM HERBST
Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama Synagogengemeinde Sukkat Schalom

Siddur – der hebräische Terminus für Gebetbuch – könnte sehr wörtlich als „Geordnetes“, übertragen als „Gebetsordnung“, übersetzt werden. Tatsächlich folgen die jüdischen Gebetbücher einer ganz anderen Logik als die Gesangbücher der protestantischen Kirchen. Werden dort die Gottesdienste aus einer großen Fülle von Liedern und Liturgieteilen immer neu zusammengestellt, so folgen traditionelle jüdische Gottesdienste Schabbat für Schabbat, Feiertag für Feiertag der gleichen Liturgie, allenfalls ergänzt durch Einschaltungen, die Spezifikationen eines Tages betreffen, etwa ein Schabbat auf den auch der Monatsanfang (Rosch Chodesch) fällt. Hier werden dann zusätzliche Einschaltungen von einzelnen Gebeten oder ganzen Gottesdienstteilen notwendig. Grundsätzlich ist es so: schlägt man in einem traditionellen Gottesdienst einen Siddur an der richtigen Stelle auf, sollte man mit den meist vorhandenen „Regieanweisungen“ in der Lage sein, dem Gottesdienst bis zum Ende zu folgen. mehr


5. Juli 2007

NS-Dokumentationszentrum: Neue Räume für die "Topographie des Terrors"

Nach jahrelangem Streit ist die Entscheidung über den Beginn des Neubaus für die "Topographie des Terrors" gefallen. Teile der Ausstellung sollen bereits 2009 geöffnet werden.

Rund 20 Jahre nach Gründung der Ausstellung "Topographie des Terrors" und nach jahrelangem Streit soll am 2. November der Bau des neuen NS-Dokumentationszentrums beginnen. Diesen Termin nannte der geschäftsführende Direktor der gleichnamigen Stiftung, Andreas Nachama. "Es ist ein insgesamt sehr stimmiges Konzept", sagte Nachama. [...] .


KESCHER Juli 2007

Kantoren für Europa
ABRAHAM GEIGER KOLLEG ERRICHTET DAS "JEWISH INSTITUTE OF CANTORIAL ARTS"
Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama

Eine jüdische Gemeinde kann auf vieles verzichten, aber gewiss nicht auf eine Synagoge, den Ort, wo sie ihre Glaubensgesänge zur Andacht formt, und nicht auf einen guten Chasan, einen Vorbeter. Die Neuerungen im 19. Jhd. brachten uns die Stunde der großen Klassiker des jüdischen Gebetsgesanges: Louis Lewandowski in Berlin und sein großes Vorbild Salomon Sulzer in Wien. Sie sammelten die alten, durch Jahrhunderte entstandenen, halb orientalischen Melodien, harmonisierten sie und versahen sie teilweise mit Orgelbegleitung sowie Chorsätzen im Geschmack ihrer Zeit. Lange Jahre bildeten diese Melodien die Grundlage für jüdisches Empfinden. Von der Mitte des 19. Jhds. bis zu meiner Generation war es fast unmöglich, neben der allgemeinen bürgerlichen Schulbildung auch noch auf jüdisch-religösem Gebiet einen Bildungsstand zu erreichen, der es erlaubt hätte, dass die Mehrzahl der Gemeindemitglieder die auf Hebräisch gesungenen Gebete tatsächlich verstehen. Erst jetzt, da es in Deutschland wieder ein Rabbinerseminar gibt, ist es nur konsequent, wenn eine Ausbildungsstätte für Kantoren mit pädagogischem Geschick entsteht. Zumindest bis zur Gründung des Staates Israel war für unsere religiöse Identität jüdischer Gebetsgesang eine der wichtigsten Gemeinsamkeiten. Und so kann man sagen: „Die Juden sind ein singendes Volk!“


6. Juli 2007 

In der Black Box des Erinnerns
Bernhard Schulz

Manchen Sturm hat die Stiftung Topographie des Terrors überstanden, mehr als einmal ist sie beinahe untergegangen. Jetzt ist ihre Zukunft gesicherter denn je. Der Bau ihres festen Sitzes auf dem Gelände der einstigen Gestapo-Zentrale Prinz-Albrecht-Palais nach Entwurf von Ursula Wilms (Büro Heinle Wischer und Partner) für insgesamt 24 Millionen Euro beginnt im November, im Mai 2010 soll die Eröffnung sein. Am Mittwoch wurde 20. Geburtstag gefeiert, so unspektakulär, wie der Beginn einst war. Mit dem Spaten in der Hand, so Stiftungsvorsitzender Andreas Nachama, seien im Sommer 1987 engagierte Bürger losgezogen, um unter dem planierten Gelände die Trümmer auszumachen, die von der Terrorzentrale übrig geblieben waren.

Die katastrophale Baupleite um den ästhetisch faszinierenden, augenscheinlich jedoch unbaubaren Entwurf des Schweizers Peter Zumthor fand bei der Feier keine Erwähnung mehr. Vor drei Jahren nannte Nachama die Trennung von Zumthor einen „Silberstreif am Horizont“. Jetzt bekommt die Stiftung, was sie immer wollte: einen grundsoliden Bau mit Seminar- und Bibliotheksräumen und den Arbeitsplätzen der Mitarbeiter. [...]


 5. Juli 2007

Baubeginn des Zentrums «Topographie des Terrors» im November
Berlin (dpa/bb)

Der offizielle Baubeginn für das neue NS- Dokumentationszentrum «Topographie des Terrors» in Berlin ist für den 2. November geplant. Das kündigte der geschäftsführende Direktor der gleichnamigen Stiftung, Andreas Nachama, am Mittwochabend an. «Es ist ein insgesamt sehr stimmiges Konzept», sagte Nachama. […] Bis zum Mai 2010 soll das Dokumentationszentrum fertig sein. Vorbereitungen für den Bau laufen bereits. Nachama hofft, dass Teile der Ausstellung bereits 2009 öffnen können.

 

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