Die Welt 7.Mai 2003
"Topographie"-Beirat erwägt Alternative
zu Zumthor-Bau
[...] Nach einem Treffen am Dienstag forderte
die in dem Gremium vertretenen Wissenschaftler aus dem In- und Ausland
die öffentliche Hand auf, bis zur Sommerpause "eine endgültige
Entscheidung" für die Fertigstellung des Prestigeprojekts
zu fällen. Ansonsten müsse "über Alternativen
nachgedacht" werden, hieß es.
Die Alternativen
könnten nach Ansicht des Beirates in einer einfacher zu bauenden
Variante des Zumthor-Entwurfs liegen. "Aber auch ein anderer,
einfacher zu realisierender Entwurf wäre eine sinnvolle Option
- ebenso wie die Nutzung eines bereits bestehenden Gebäudes
am Gelände der einstigen Gestapo-Zentrale." Welche das
sein könnten, erläuterte der wissenschaftliche Direktor
der Stiftung, Prof. Reinhard Rürup. "Denkbar wäre
zum Beispiel, dass der Stiftung hinreichende Büro- und Funktionsräume
im benachbarten Martin-Gropius-Bau zu Verfügung gestellt werden."
Auch das Deutschland-Haus an Stresemannstraße sei "eine
mögliche Alternative".
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Frankfurter Rundschau, 24. April
2003 
Schlamassel
- Topographie des Terrors
Jedes Jahr kommen, worauf Andreas
Nachama, der Direktor der Stiftung "Topographie des Terrors",
stolz verweist, mehr als 250 000 Besucher, um die Dauerausstellung
der Stiftung, seit Jahren kaum mehr als ein Dauerprovisorium, über
die Geschichte dieses besonderen Berliner Ortes zu besichtigen.
Denn hier, im einstigen Prinz-Albrecht-Palais, residierten die Geheime
Staatspolizei, der Reichsführer-SS, der Sicherheitsdienst (SD)
und das Reichssicherheitshauptamt. Hier richteten die Nazis im Spätsommer
1933 ein "Hausgefängnis" ein. Geblieben sind die
Kellerräume, in denen die Historie eine beklemmende Authentizität
besitzt. Viele solcher Orte, mit denen pfleglich umgegangen wird,
hat Berlin nicht.
Einst war daran gedacht, den Bau
1998 der Öffentlichkeit zu übergeben. Andreas Nachama
wagte vor kurzem die Prognose, dass eine Fertigstellung frühestens
2006 zu erwarten sei und eine Eröffnung der Gedenkstätte
ein Jahr darauf stattfinden könnte. Diplomatisch gewitzt, wie
er ist, betont er vor allem eines: "Es besteht keinen Grund,
die Situation zu personalisieren". Namen wären schließlich
Legion.
Vielleicht denkt Nachama auch an sein Buch über
das Jiddische im Berliner Wortschatz. Darin findet man Stichworte
wie Dalles, was so viel wie leere Kasse oder leerer Magen bedeutet.
Oder auch Parnosse: "Hat einer keine Parnosse, dann hat er
weder Moos noch Kies." Auch Zoff ist jiddischen Ursprungs,
denn Ssof ist das jüdische Wort für Ende, Schluss.
Bekannter
ist das Wort Schlamassel, eine Angelegenheit, die gut gemeint war,
aber schlecht ausgegangen ist. Und genau mit diesen Worten, als
spiele ihm sein Unterbewusstsein einen kleinen Streich, fasst er
im Gespräch die aktuelle Situation zusammen. "Sei dem,
wie es sei", so Andreas Nachama, "ein Schlamassel ist
und bleibt ein mittleres Desaster." mehr
Die Welt, 15. April 2001
Zehn Jahre ist es mittlerweile her, dass der Schweizer Architekt
den prestigeträchtigen Wettbewerb gewonnen hat. Doch die Baustelle
ruht seit bereits drei Jahren. Jetzt hat auch Andreas Nachama, geschäftsführender
Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, erstmals offen ausgesprochen,
was in der Hauptstadt viele seit langem meinen. "Man muss neu
denken", sagt Nachama. Offenbar sind auch architektonische
Alternativen kein Tabu mehr, wenn Nachama vieldeutig nachschiebt:
"Vorstellbar ist alles!"
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Der Tagesspiegel 15. April 2003

Der große Überbau am Ort der Täter
Thomas
Lackmann
[...] Texte und Fotos an freigelegten Kellerwänden
und gelegentliche Bauzaunpräsentationen (so die Ausstellung
"Vor aller Augen" über den NS-Terror in der Provinz) werden
von Hunderttausenden besichtigt. Aber "ich sehe keine Baukolonne",
sagt TdT-Geschäftsführer Andreas Nachama dieser Zeitung:
"Wird es was? Wird es nichts?"[...]
Deutung Nr.1: Es wird
alles gut, im Mai geht es los. Nachama hat wohl nur getrommmelt.
Es gibt aber auch Deutung Nr. 2: Alles wird schlecht. Geschäftsführer
Nachama ("Die Milch wird teurer, und dieser Bau soll billiger werden?")
hat echten Alarm geschlagen: Die 76-Millionen-Deckelung war unrealisierbares
Wunschdenken. "Wenn keine Baufirma es dafür schafft," sagt
auch Frau Reetz, "muss die Politik neu entscheiden." [..]
Da
wir aber in Berlin sind, gibt es auch Deutung Nr. 3. Erinnert sich
noch jemand an die schräg konzipierten Wände des Libeskindbaus,
der erst bezahlbar wurde, als sein Architekt auf den letzten Schrägheits-Schnack
verzichtete? [...] Da die Ausschreibung zeige, dass Zumthors einzigartige
Fassadenaufhängung für 76 Millionen nicht zu haben sei,
solle der Entwurf mit normalem Stahlskelett realisiert werden; den
Unterschied würden wenige Besucher bemerken.[..]
Der bitterste
Aspekt dieser Farce um die Dokumentation deutscher Menschheitsverbrechen
58 Jahre danach besteht jedoch in einer anderen Pointe: darin, dass
Berlin seine "funktionierenden" Erinnerungsorte demontiert. Wenn
Andreas Nachama in die USA fährt, sagt er, führt er dort
Micha Ullmanns Bücherverbrennungs-Denkmal "Bibliothek" am Bebelplatz
als Beispiel für das bewegendste, gelungene Shoa-Denkmal an.
Zur Zeit wird rund um diese Skulptur eine Tiefgarage gebaut und
die historische Pflasterung des "authentischen Orts" zerstört.
Auch der sterile, improvisierte TdT-Pavillon war, bis zum Neubaustart,
eine eindrucksvoll funktionierende Gedenkstätte. Am 11. Mai
lädt die Topographie des Terrors mit Micha Ullmann zum Disput
in die Akademie der Künste: Da dürfen die Berliner darüber
streiten, warum sie der Erinnerung am Ort der Täter so gern
mit großem Überbau den Garaus machen.
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Märkische Oderzeitung 12.
April 2003
Nachama sieht Topographie-Neubau
nach Zumthor-Entwurf vor dem Aus
Berlin
(ddp-bln). Der Neubau des NS-Dokumentationszentrums «Topographie
des Terrors» in Berlin-Kreuzberg nach dem Entwurf des Schweizer
Architekten Peter Zumthor steht offenbar auf der Kippe. Nach den
fruchtlosen Anstrengungen der Senatsbauverwaltung, Kosten und Konstruktion
zur Realisierung des komplizierten Bauwerks auf dem ehemaligen Prinz-Albrecht-Gelände
in den Griff zu bekommen, deute jetzt alles darauf hin, «dass
das Projekt an die Wand fährt», sagte der geschäftsführende
Direktor der Stiftung «Topographie des Terrors», Andreas
Nachama, der «tageszeitung» (Samstagausgabe).
[...]
Im Notfall kann sich Nachama sogar den «Rückbau»,
also Abriss, der drei bereits fertig gestellten Treppentürme
vorstellen. «Wenn man tagtäglich sehen muss, dass sich
auf dem Gelände nichts bewegt, dann muss man über Alternativen
nachdenken», betonte Nachama. Im Interesse des Nutzers müsse
«kreativ» über künftige Varianten nachgedacht
werden, damit eine Realisierung überhaupt noch infrage komme.
«Vorstellbar ist alles» - auch ein Neubau nach anderen
Plänen. mehr
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