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Die Tageszeitung 12. April 2003
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Interview
Philipp GESSLER und Robin LAUTENSCHLÄGER
taz: Herr Nachama, vor exakt
zehn Jahren wurde der Wettbewerb für das NS-Dokumentationszentrum
"Topographie des Terrors" entschieden. Was wir heute auf dem
einstigen Standort von SS und Gestapo vorfinden, ist eher eine Bauruine
als eine Baustelle. Empfinden Sie das nicht als Skandal?
Andreas Nachama: Es ist traurig. Gelegentlich empfinde ich es auch als
Skandal. Doch es ist ein Skandal, den man nicht personalisieren sollte
und bei dem man sagen könnte, der oder die hat Schuld. Das Projekt
wurde gewissermaßen gegen die Mauer gefahren.
Kann man es nicht doch personalisieren? Die Akteure sind die Bauverwaltung,
Senator Strieder und der Architekt Peter Zumthor. Vor einem Jahr hat Strieder
angekündigt, der Bau gehe weiter. Kommen Sie sich mit Ihren Mitarbeitern
nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertröstet vor?
Nein, so sehe ich das nicht. Niemand konnte nach der Wettbewerbsentscheidung
damals wissen, welche gigantischen bauphysikalischen Schwierigkeiten auf
uns zukommen würden. Und es gibt nach wie vor den politischen Willen
auf Bundes- und Landesseite, der "Topographie des Terrors" ein
Gebäude zu errichten. Da zweifle ich auch nicht an Bausenator Strieder.
Wäre es nicht so, hätte er das Bauvorhaben längst gekippt.
[......]Also
Zumthor kann man nicht billiger machen?
Das wird so gesagt. Das sagen alle. Darum muss man neu über die Interessen
des Nutzers und die schnelle Realisierung nachdenken. Ich glaube an einen
Neubau - aber nur noch sehr bedingt an diesen Entwurf. Zumthor ist eine
Krone der Architektur, aber nach zehn Jahren des Ringens um seine Realisierung
muss man einräumen, dass es fast unmöglich ist, diesen Ingenieurstraum
umzusetzen.
[...]
Liegen die großen Probleme
auch daran, dass es eben der "Ort der Täter" ist, der Ort
der Väter und Großväter: Haben vielleicht die politischen
und baulichen Probleme am Ende ihren Grund in der Tatsache, dass man sich
an diesem Ort mehr als an den anderen auseinander setzen muss mit der
eigenen Schuld - und dass das weh tut?
Das könnte nur eine Erklärung
sein, dass man es immer wieder zur Seite schiebt und das Projekt dauernd
hintangestellt wird. Aber man würde es auch verklären, wenn
man den Stillstand nur so erklären wollte. Die drei hohlen Zähne,
die da stehen, sind auch ein Symbol für die Bauhybris der 90er-Jahre,
als man glaubte, man könne alles bauen.
[...]
Angesichts Ihrer vielen Probleme
bei der "Topographie" und in der Jüdischen Gemeinde fragen
wir uns, ob Ihnen das Leben derzeit Spaß macht?
Es ist schon so, dass ich manchmal tief Luft holen muss, und es wäre
die Unwahrheit zu behaupten, ich sei ausgeglichen und glücklich.
Andererseits sind Probleme dazu da, gelöst zu werden. Und wenn man
als Jude in Berlin lebt, muss man bereit sein, den Druck auszuhalten.
Bei der "Topographie" sollte es gelingen, dem temporären
Charakter endlich eine dauerhafte Form zu geben. Das betrachte ich als
Lebensaufgabe. Dafür muss man schon einmal Rückschläge
in Kauf nehmen.
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