Mai 2005
Zwei Rabbiner über Estrongo Nachama Es wurde eine Veranstaltung mit vielen Höhepunkten. Das begann damit, dass ihre Leitung in den Händen zweier Rabbiner lag, die zu den prägenden Persönlichkeiten des liberalen Judentums in Berlin gerechnet werden: Neben Rabbiner Dr. Andreas Nachama saß Rabbiner Dr. Walter Hornolka, Gouverneur der Weltunion für progressives Judentum für Europa, der zu Beginn von der Dankesschuld des Abraham Geiger Kollegs und der liberalen Juden in Deutschland überhaupt gegenüber Estrongo Nachama sprach. Seinem Wirken als Kantor sei die Erhaltung der liberalen Musiktradition in Nachkriegsdeutschland zu verdanken, für die Namen wie Lewandowski, Sulzer und Naumburg stünden. Nachama sei für ihn von jung an das Vorbild eines Kantors gewesen, »der Kantor per se«. Homolka würdigte auch die Ver-dienste Andreas Nachamas namentlich um das Reformjudentum und nannte Etappen aus dessen Leben bis zur Synagoge am Hüttenweg (nun mit Sohn Alexander als Kantor). Nun bot bei einer gemeinsamen Veranstaltung des JKV und des Abraham Geiger Kollegs der Sohn des Kantors, Rabbiner Dr. Andreas Nachama, in einem mit Musikbeispielen illustrierten stimmungsvollen Vortrag einen Überblick über den Lebensweg des Künstlers, des Theologen und des Menschen, an dessen Schluss eine neue CD erklang: die Aufzeichnung einer Schabbatweihestunde mit Gesängen des Kantors. Nicht zuletzt die Aussicht, diese unvergeßliche Stimme noch einmal zu hören, hatte so viele Besucher in den JKV gelockt, dass das ungeliebte »Besetzt«Schild an die Tür gehängt werden musste. Es wurde eine Veranstaltung mit vielen Höhepunkten. Das begann damit, dass ihre Leitung in den Händen zweier Rabbiner lag, die zu den prägenden Persönlichkeiten des liberalen Judentums in Berlin gerechnet werden: Neben Rabbiner Dr. Andreas Nachama saß Rabbiner Dr. Walter Hornolka, Gouverneur der Weltunion für progressives Judentum für Europa, der zu Beginn von der Dankesschuld des Abraham Geiger Kollegs und der liberalen Juden in Deutschland überhaupt gegenüber Estrongo Nachama sprach. Seinem Wirken als Kantor sei die Erhaltung der liberalen Musiktradition in Nachkriegsdeutschland zu verdanken, für die Namen wie Lewandowski, Sulzer und Naumburg stünden. Nachama sei für ihn von jung an das Vorbild eines Kantors gewesen, »der Kantor per se«. Homolka würdigte auch die Verdienste Andreas Nachamas namentlich um das Reformjudentum und nannte Etappen aus dessen Leben bis zur Synagoge am Hüttenweg (nun mit Sohn Alexander als Kantor). Andreas Nachama sprach vom Fleiß und von der Disziplin, die seinen Vater befähigten, 50 Jahre die hohen Belastungen als Kantor und Oberkantor zu tragen. Vor allem in der ersten Zeit kam es vor, dass er vier Gottesdienste an einem Tag. in verschiedenen Teilen der Stadt leiten musste. Das klappte nur mit einem hohen Maß an minutengenauer Organisation. Als Staatsangehöriger der »Siegermacht Griechenland« hatte er auch nach dem 13. August 1961 ständigen Zugang nach Ost-berlin. Das war nicht zuletzt wichtig für den Kontakt mit seinem Freund, dem DDR-Rabbiner Martin Riesenburger, der auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee wohnte und mit dem er leidenschaftlich gern musizierte. Auf die Frage Homolkas, ob es stimme, dass der Kantor manchmal recht streng die Zeit für die Predigten begrenzte und es ihm egal gewesen sei, »wer unter ihm Rabbiner war«, bestätigte Nachama jun., der Vater sei bestrebt gewesen, überflüssige Längen in den Predigten auszuschließen, die oftmals die Wirkung des Gottesdienstes eher verminderten. Das habe er aber nur bei einigen Rabbinern für nötig gehalten, bei so guten Red-nern wie Riesenburger und Stein nicht. So engagiert Estrongo Nachama die jüdischen Angelegenheiten vertrat und so sehr er sich für soziale Belange einsetzte, Politik interessierte ihn nicht. Seine »Lifeline« war eher pragmatisch, sachorientiert, Das mussten auch jene Stasi-Mitarbeiter feststellen, die ein Gespräch mit ihm anknüpften. in seiner Akte findet sich der Satz: »Hat außer Singen nichts im Sinn.« Der Gesang aber füllte ihn so aus, dass sein (Oeuvre für immer ein Porträt der jüdischen Synagogalmusik bleiben wird. Rafael Seligmann, Rabbiner Nachama, Rabbiner Hornolka, Irene Runge. 3sat zeichnete Teile der Veranstaltung auf. Sendung am 14.5. um 21 Uhr Foto: Igor Chalmiev
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