Aktuelles zur Topographie des Terrors

 

Berliner Morgenpost 2. Juni 2004
Senatorin lehnt Zuschuss für Topographie des Terrors ab
[...] Auf offene Ohren der Senatorin stieß die Forderung des Stiftungs-Geschäftsführers Andreas Nachama, um die neue Gestaltung des Dokumentationszentrums eine öffentliche Diskussion zu führen. Nachama und andere Mitglieder der Stiftung hatten in den vergangenen Tagen wiederholt für ein öffentliches Symposium geworben, auf dem im Herbst über die Neugestaltung diskutiert werden soll.
"Ich halte sehr ausführliche Beratungen, besonders mit der Stiftung, für notwendig", betonte auch Senatorin Junge-Reyer. [...]

1. Juni 2004
Die Debatte um die "Topographie des Terrors"
Entwurf des Schweizer Architekten Peter Zumthor gescheitert
Interview mit Andreas Nachama, geschäftsführender Direktor des Gedenkzentrums
Noltze: Zuerst nach Berlin, zu einer der manchen kulturpolitischen und städtebaulichen offenen Wunden, die es dort hat, ich meine jetzt das ewige Projekt einer definitiven architektonischen Fassung für das Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors". Letzte Woche konnten Sie auch in dieser Sendung vom endgültigen Scheitern der Realisierungsaussichten für den ambitionierten, aber wohl nicht mehr bezahlbaren Entwurf des Schweizer Architekten Peter Zumthor hören. Die Bauausführung soll jetzt ganz an den Bund übergehen. Aber heute liest man im Berliner Tagesspiegel von einer Umfrage unter den Berlinern mit dem sehr entschiedenen Ergebnis, dass mehr als 90 Prozent gegen überhaupt irgendeinen Neubau sind. Frage an den Direktor der Stiftung Andreas Nachama, ist das für die "Topographie des Terrors" nicht ein alarmierendes Ergebnis?
Nachama: Nach zehn Jahren Bauquerelen um das Projekt ist es schon so, dass ich begreife, dass man sagt, das Gelände funktioniert ja irgendwie und komm, lasst uns jetzt einfach mal bei dem bleiben, was wir da haben!
Noltze: Das heißt, das Provisorium, teils unter freiem Himmel, die Wände, die da aufgebaut sind, so zu belassen?
Nachama: Naja, das kann auf der anderen Seite, wenn man dort ist, auch nicht ernst gemeint sein, den Baucontainer als Informationspavillon, ja doch eher sehr provisorische Abdeckungen der Ausgrabungen, die jetzt zugänglich sind und gar keine Abdeckung oder zugeschüttete Bodendenkmäler an anderen Stellen auf dem Gelände, das ist es natürlich sicherlich nicht und das ist wahrscheinlich auch nicht das, was diese Umfrage sagen wollte. Sondern was die Umfrage sagen wollte, war, so verstehe ich sie jedenfalls, kein Zumthor II, keinen großen Bau, der das Gelände überstrahlt sondern reine Zweckbauten, die für den Betrieb des Geländes eben notwendig sind.
Noltze: Sie formulieren den Standpunkt, der nicht nur der ist der Berliner Bevölkerung sondern auch der Ihrige. Sie waren immer für die einfache Lösung, heißt das: kein Architekturdenkmal sondern etwas Funktionales?
Nachama: Das ist das, was die Stiftung sich ja immer gewünscht hatte, was auch in der Ausschreibung ursprünglich mal drin stand, einen undekorierten Schuppen. Also, Funktionsarchitektur, die sich einpasst in die Notwendigkeiten, die die Besucher an dieses Gelände stellen und dass es davon einige gibt, das ist ja wohl, glaube ich, unstrittig.
Noltze: Aus finanziellen Gründen oder auch aus grundsätzlichen, weil Architektur da vielleicht gar nicht die Rolle spielen soll?
Nachama: Hier ist ein Gelände, das zum Sprechen gebracht werden soll und es sollte eben von Anfang an nicht überstrahlt werden durch große Architektur. Sondern es ist eben hier, Überlassenschaften, die Hinterlassenschaften dieses Dritten Reichs, hier waren die Terrorzentralen und in denen, also in diesen Ausgrabungen soll man lernen, soll sich ein Bild davon machen, wie das von hier ausging. Ich denke, das ist schon auch ein Stück Programm, das ist auch ein Stück Programm, das ja sehr gut angenommen ist. Wir haben ja zwischen 300.000, 350.000 Besuchern in den letzten Jahren mit eher steigender Tendenz und vielleicht ist es ja auch so, dass diejenigen, die hinkommen, eben nicht durch ein Tor eintreten wollen in eine großartige Architektur sondern durch diese Pforte auf dieses Gelände treten so ganz ohne Schwellenangst und sich von der Dokumentation in die Geschichte hineinversetzen und hineinleiten lassen.
Noltze: Aber vielleicht doch noch mal zu diesem sehr deutlichen Ergebnis über 90 Prozent gegen überhaupt irgendeine Art von Neubau. Könnte es nicht auch zu lesen sein als Zeichen einer letztendlich schwindenden Akzeptanz für das gesamte Projekt in Berlin?
Nachama: Das glaube ich eher nicht. Erstens sieht man das an den Besucherzahlen...
Noltze: Die, die kommen, sind die, die kommen. Die, die nicht kommen, sind natürlich in der Mehrheit.
Nachama: Ja, das weiß ich noch nicht einmal. Wenn Sie das jetzt mal über die Jahre zusammenzählen, das Projekt gibt es jetzt seit 1987. Wie viele dann in diesen vielen Jahren gekommen sind, dann würde ich schon sagen, das Projekt hat eine große Akzeptanz und es war auch so, als der kleine Besucherpavillon, den wir vorher über den Ausgrabungen als Dach über unseren Ausgrabungen hatten, als der sozusagen durch die Baustelle ersetzt wurde, dass das sehr viele von denjenigen, die gekommen sind, immer wieder bedauert haben, dass diese doch so unscheinbare Architektur, dass das verschwunden ist und das ist uns auch in den vielen Jahren der Bauzeit immer wieder gesagt worden, schade, wo habt ihr denn den Pavillon gelassen. Und das ist uns eben nicht von denjenigen gesagt worden, die nicht kommen sondern das ist uns von denjenigen gesagt worden, die dort am Ort waren und die dort hinkommen.
Noltze: Fühlen Sie sich besser seit das Zumthor-Projekt begraben worden ist?
Nachama: Naja, das ist so ein lachendes und so ein weinendes Auge, vielleicht ist das lachende etwas größer, weil es natürlich eine Hängepartie über viele Jahre geworden ist, die einen ja wirklich nicht mehr nach vorwärts blicken ließ und insofern betrachte ich auch die Diskussion, so wie sie jetzt in der Öffentlichkeit geführt wird als ein Stück Befreiungsschlag, kommt, lasst uns das noch mal neu denken, lasst uns noch mal neu denken, was wir da machen. Das finde ich auch ganz richtig.
Noltze: Noch mal neu denken, Andreas Nachama, Direktor der Stiftung "Topographie des Terrors", über den Fortgang einer vielleicht ja doch nicht unendlichen Geschichte.



news.de 1.06.2004
Nachama für offene Debatte zu Topographie des Terrors
Berlin (dpa) -Der Geschäftsführer der Stiftung Topographie des Terrors, Andreas Nachama, hat sich für eine öffentliche Debatte zur Zukunft des Dokumentationszentrums ausgesprochen. Nach dem Scheitern des Entwurfs des Schweizer Architekten Peter Zumthor sollten auf einem Symposium im Herbst alle Möglichkeiten für die Gestaltung des Geländes auf den Ruinen der NS-Terrorzentrale beraten werden, sagte Nachama am Dienstag der dpa. Erst etwa einen Monat später sollte der Architektenwettbewerb neu ausgeschrieben werden.Nachama bestätigte einen Bericht des «Tagesspiegel», wonach die Stiftung ihren Sitz in die Nähe des Geländes verlegen werde. Die Stiftung habe sich stets für eine dezentrale und einfache Lösung ausgesprochen. «Wir wollen kein Zumthor II», sagte der Stiftungsdirektor. So sollte die Lage des Informationszentrums auf dem Gelände den Besucherströmen angepasst und beispielsweise nicht an den Rand gebaut werden.

 

1. Juni 2004
Pro & Contra zur Topographie: Klares Votum gegen Neubau

91 Prozent der Anrufer wollen kein NS-Dokumentationszentrum auf dem Gelände – auch in der Stiftung gibt es Stimmen dagegen
Sabine Beikler
Braucht die Topographie des Terrors einen Neubau? So lautete die Frage in unserem Pro & Contra am Sonntag. Das Votum der Anrufer ist eindeutig: 90,7 Prozent sprachen sich gegen einen Neubau aus, nur 9,3 Prozent waren dafür.
„Die Grabenausstellung ist offensichtlich ausreichend.“ So wertet Christine Fischer-Defoy die deutliche Absage an einen Neubau. Die Zeithistorikerin ist Mitglied im Stiftungsrat der Topographie und Vorsitzende des Vereins Aktives Museum, der das Gelände an der Niederkirchnerstraße zuerst erschlossen hatte. Auch die Besucherzahlen sprechen dafür, das Gelände so zu belassen: 2002 waren es 300 000, 2003 kamen schon 350 000 Besucher, die den Ort des Schreckens besichtigten, an dem sich die zentralen Institutionen des NS-Verfolgungsapparates, Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt, befunden hatten.
Stiftungsdirektor Andreas Nachama will kein architektonisch aufwändiges neues Projekt, sondern ein Gelände, das „mit den Besuchern spricht“. Er fordert die minimalistische Variante: den Besuchercontainer angemessen ersetzen und den Ausstellungsgraben besser überdachen. Die Bodendenkmäler, also die Zellenböden der Gestapo und der Küchentrakt, sollen offen gelegt und dauerhaft geschützt werden. Hinzu kommt, dass die Topographiestiftung Ende des Jahres von der Budapester Straße in die Nähe des Geländes zieht, nämlich in das DKV-Haus in die Stresemannstraße. Nachama bestätigte dem Tagesspiegel, dass es einen „langjährigen Mietvertrag“ gibt. [...]

30. Mai 2004
Beredte Brache

Nach der Trennung von Architekt Zumthor beginnt die Debatte um einen Neubau auf dem Topographie-Gelände – Pro & Contra
Von Sabine Beikler
[...] Stiftungsdirektor Andreas Nachama hätte sich schon vor elf Jahren lieber einen „undekorierten Schuppen“ gewünscht als den Zumthor-Entwurf. Ganz ohne Bau gehe es aber nicht, sagt Nachama. „Dieser Ort ist ein Lernort, keine Gedenkstätte wie das Holocaust-Mahnmal.“ In der Trias Jüdisches Museum, Holocaust-Mahnmal und Topographie habe nur Letztere die „Aura des Ortes“. Doch trotz der einzigartigen Authentizität erschließe sich der Ort nicht von selbst. Die Stiftung fordert deshalb wenigstens ein Funktions-Gebäude mit Seminarraum, Arbeitsräumen für ein kleines Institut, Archiv, Bibliothek und einem Ausstellungsraum. „Wir wollen keinen luxuriös ausgestatteten Operationssaal, sondern ein gut funktionierendes Bettenhaus“, sagt Nachama. Auch die zurzeit zugeschütteten Bodendenkmäler, die Zellenböden der Gestapo und der Küchentrakt, müssten „einhaust“ werden.

[...] Vielleicht ist es das, was Christine Fischer-Defoy vom „Verein Aktives Museum“ fordert: „Die offene Wunde, das brachliegende Gelände, muss sichtbar bleiben.“ Doch wie, ob mit Blockrandbebauung, mit dezentralen Gebäuden oder einem einzigen, mit oder ohne minimalistische Architektur: Um jedes Für und Wider zu erörtern, fordert die Stiftung ein Symposium mit Experten. Bei der nächsten Entscheidung, sagt Nachama, wolle man sich nämlich nicht mehr von der Politik „an den Katzentisch“ drängen lassen.
Welt/ Morgenpost 29.05.2004Topographie-DisputStiftung will bei Planung stärker mitredenVon Guntram Doelfs [...]

Andreas Nachama stellte klar, dass sich die Stiftung bei der Entscheidung nicht wieder von der der Politik "an den Katzentisch" drängen lassen will. Nachama, Morsch und Christine Fischer-Defoy vom Verein Aktives Museum forderten, dass die Stiftung die Bauträgerschaft für das Projekt übertragen wird. Ebenso sollte es nur ein "Einladungswettbewerb mit maximal zehn Architekten geben", forderte Morsch.Andreas Nachama warb erneut für ein dezentralen Entwurf, der die bisherigen Ausstellungsbereiche, besonders den Ausstellungsgraben in seiner jetzigen Form erhält. Er kann sich zudem auch eine Blockbebauung am Rand des geländes vorstellen. "Schlichte Architektur auf dem Gelände muss keine schlechte Architektur sein", kommentierte das der neue Geschäftsführer der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europoas, Hans Haverkampf.

29. Mai 2004
Wie soll die Topographie aussehen?
Gedenkstättenleiter wollen schmucklose Architektur

Marlies Emmerich
Das neue Konzept für das NS-Dokumentationszentrum Topographie des Terrors in Kreuzberg soll möglichst schmucklos werden. "Wir brauchen keine Architektur, sondern die Aura des Ortes", sagte Andreas Nachama, Geschäftsführer der Topographie-Stiftung, am Donnerstagabend beim Kultursalon der Grünen in der Volksbühne. Wie berichtet, war vor wenigen Tagen der alte Entwurf des Architekten Peter Zumthor von Politikern aus Bund und Land gekippt worden. Nachama wünschte sich auf dem einstigen Gelände von SS und Gestapo viele dezentrale Orte. Er schlug vor, den bisherigen Ausstellungsgraben an der Niederkirchnerstraße zu erhalten. Am Eingang, wo Container stehen, solle ein Informationszentrum entstehen. Zudem brauche die Stiftung etwas Ähnliches wie die Ausstellungshalle, die bis 1997 zehn Jahre lang auf dem Grundstück stand. "Insgesamt geht es um eine Art Blockrandbebauung", sagte Nachama.

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