Tagebuch

 Stein des Anstoßes
Aus  der Rede am Mahnmalsplatz für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma neben dem Reichstagsgebäude in Berlin am 14. September 2003

[...] Zwar wurde schon vor Jahren versprochen, daß es ein Mahnmal aus der Feder von Dani Caravan geben sollte, aber Fortschritte lassen sich nicht ablesen. Wir lesen, daß dem Bau von Staatswegen nichts entgegenstünde, wenn sich die "Opfergruppen" auf eine Inschrift einigten. Ich glaube nicht, daß man eine solche Forderung beim Mahnmal für die ermordeten Juden aufstellen würde, denn wer soll für die Ermordeten sprechen? Und übrigens wurde in den zahllosen Symposien zum Thema des Mahnmals für die ermordeten Juden auch über einen Widmungsspruch debattiert mit dem Ergebnis, daß dieses Mahnmal gar keinen Widmungsspruch haben wird, wenn ein solcher nicht, wie das Manna im Sinai plötzlich vom Himmel in den märkischen Sand fällt.

[...] Wir erkennen: es wird mit zweierlei Elle Maß genommen. An dieser Stelle sei angemerkt, daß die Einweihung des Denkmals für die Millionen ermordeten Juden Europas von der Öffentlichkeit hier in Deutschland, in Europa und in der Welt  nicht angenommen werden wird, wenn nicht zumindest dieses Denkmal für ermordeten 500.000 Sinti und Roma ernsthafte Formen angenommen hat und ein Einweihungstermin absehbar ist.

[...] Wir tragen alle füreinander gemeinsam Verantwortung: Und deshalb fordere ich: Die Gesellschaft, ja der Staat muß endlich handeln. Wenn es möglich war die Menschen staatlich organisiert fabrikmäßig zu ermorden, dann wird es doch wohl auch möglich sein, daß unser demokratisches Deutschland ihrer gedenkt.


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